04.11.2025 I Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen § 5c IfSG

Unvereinbarkeit des § 5c IfSG mit Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes

Mit heute (04.11.2025) veröffentlichem Beschluss vom 23.09.2025 hat der erste Senat des Bundesverfassungerichtes (BVerfG) über zwei Verfassungsbeschwerden entschieden, mit denen sich eine Gruppe von Ärzten gegen den 2022 eingeführten § 5c ("Verfahren bei aufgrund einer übertragbaren Krankheit nicht ausreichend vorhandenen überlebenswichtigen intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten" - kurz: "Triageregelung") des "Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen" (kurz: IfSG) wandten. Die Beschwerdeführer sahen sich unmittelbar in in ihren Rechten aus Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 4 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) verletzt. Der Senat erklärte § 5c IfSG in Gänze für unvereinbar mit Art. 12 Abs. 1 GG und die Norm für nichtig.

Prof. Dr. Gunnar Duttge trat als einer von zwei Bevollmächtigten für die Beschwerdeführenden im Verfahren 1 BvR 2284/23 auf, gemeinsam mit Rechtsanwalt Dr. Tobias Weimer. Die vier Beschwerdeführenden – allesamt Fachärzte im Bereich der Notfall- und Intensivmedizin – legten substantiiert dar, durch § 5c IfSG selbst, unmittelbar und gegenwärtig in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) betroffen zu sein. Denn schon die abstrakte Gefahr einer weiteren Pandemie begründet nach der Entscheidung des BVerfG eine ausreichend gegenwärtige Betroffenheit, da vom Auftreten eines neuartigen Virus bis zur kritischen Belastung des Gesundheitssystems nur wenige Wochen vergehen können (Rz. 50, 51).

Das BVerfG sah durch die Festlegung auf das Zuteilungskriterium der "aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit", das Verbot der Ex-post-Triage und die Verpflichtung zu einem kollegialen Entscheidungsverfahren zwar zwar einen materiellen Eingriff der § 5c Abs.1 bis 3 IfSG in die Berufsausübungsfreiheit der Ärzte (Rz. 72 ff.). Nach dem Beschluss ist das Gesetz aber bereits formell verfassungswidrig, da dem Bund die Gesetzgebungskompetenz fehle (Rz. 84 ff.). Das BVerfG stellte fest, dass § 5c IfSG keine "Maßnahme gegen übertragbare Krankheiten" im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG darstellte, sondern eine reine Pandemiefolgenregelung war, die weder der Eindämmung noch der Vorbeugung übertragbarer Krankheiten diente, sondern lediglich den Umgang mit bereits eingetretener Ressourcenknappheit regelte. Nach der aktuellen Kompetenzverteilung des GG trügen "die Länder maßgeblich die Verantwortung für diskriminierungssensible Allokationsregeln im Sinne reiner Pandemiefolgenregelungen, die auch länderübergreifend tragfähige Entscheidungen ermöglichen müssen" (Rz. 138).

Den Beschluss finden Sie hier: Website des Bundesverfassungsgerichtes.